<p>Steigende Verbraucherpreise fressen Kaufkraftzuwachs auf</p>
Trotz staatlicher Eingriffe in vielen europäischen Ländern, wie etwa der Benzinpreisbremse in Deutschland oder der Senkung von Steuern und Abgaben auf Energie und Grundnahrungsmittel in Spanien, stieg die Inflationsrate in der Europäischen Union im Jahr 2022 auf insgesamt 9,2 Prozent und erreichte im Oktober 2022 sogar einen Höchststand von 10,6 Prozent in den 27 Mitgliedsstaaten.
Ausgehend vom Anstieg der Energiepreise durch den Krieg in der Ukraine mit Höchstständen von 2,14 Euro pro Liter Diesel im März 2022 in Deutschland und drastischen Preisanstiegen für Energieträger wie Gas, Heizöl oder Strom entwickelten sich Anfang des Jahres 2023 Waren und Dienstleistungen zum Treiber der Inflation in Europa. Die Erzeugerpreise für gewerbliche Produkte stiegen bereits Mitte 2021 mit zweistelligen Wachstumsraten an und erreichten im September 2022 mit fast 46 Prozent Zuwachsraten zum Vorjahresmonat einen Höchststand. Die Verbraucherpreisindizes in Deutschland folgten mit einiger Verspätung und erreichten ihren Höchststand im Vergleich zum Vorjahresmonat im November 2022. Die Preissteigerungen wurden von den vielfältigen Krisen angetrieben. Beispielhaft sei als direkte Konsequenz des Krieges in der Ukraine an die kurzfristig einsetzende Knappheit und Preisexplosion bei Sonnenblumenöl in Europa erinnert. Auch klimatische Bedingungen wirkten preistreibend. So forcierte die katastrophale Dürre im Sommer 2022 das starke Wachstum der Lebensmittelpreise in Portugal.
Besonders stark ausgeprägt war die Inflation im vergangenen Jahr in den baltischen Staaten mit Inflationsraten von bis zu 19,4 Prozent in Estland sowie den Visegrád-Staaten mit bis zu 15,3 Prozent in Ungarn. Diese Länder waren insbesondere von den steigenden Energiepreisen sowie erhöhten Kosten für Lebensmitteimporte betroffen. Die Preisentwicklung in allen Ländern führte zu einem Rückgang der realen Kaufkraft in Europa. In Folge sank die Sparquote immer weiter ab. Der Handel mit FMCG konnte im vergangenen Jahr in Deutschland trotz Krise ein Wachstum verzeichnen, jedoch ist dies primär auf Preisanstiege zurückzuführen. Preisbereinigt ging der FMCG-Umsatz in Deutschland leicht zurück.
Europaweit konnten die verfügbaren Einkommen nicht mit der Preisentwicklung Schritt halten, was zu anhaltenden Rückgängen der preisbereinigten Kaufkraft führte. Im Gegensatz zu Inflationsphasen aus der Vergangenheit, in denen ein sprunghafter Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verzeichnen war, konnte sich der Arbeitsmarkt bislang stabil entwickeln. Hier spielt die derzeitige Knappheit an Fachkräften eine treibende Rolle. Für 2023 wird ein Lohnanstieg von 5,9 Prozent in den Ländern der Europäischen Union erwartet, der jedoch weiterhin die Kaufkraftverluste durch die Inflation nicht vollständig kompensieren kann.
Insofern ist es nicht verwunderlich, dass sich derzeit die Anschaffungsneigung in Europa auf einem historisch niedrigen Level befindet. Betrachtet man die Anzahl der Konsumenten, die angeben, dass aktuell der richtige Zeitpunkt für die Anschaffung größerer Konsumgüter sei, steht deren Anteil in Europa derzeit auf einem historischen Tiefstand und konnte sich zwischen 2022 und 2023 nicht erholen. Die höchste Kaufzurückhaltung ist derzeit in Schweden und Österreich zu verzeichnen. Im europäischen Kontext gab es in Spanien die stärkste Zunahme im Konsumindex.
Mit dem Rückgang der Energiepreise im bisherigen und prognostizierten Verlauf des Jahres 2023 sowie der zu erwartenden weiteren Entspannung 2024 nimmt die Europäische Kommission in ihrem Frühjahrsausblick an, dass sich auch dank des stabilen Arbeitsmarktes die einzelhandelsrelevante Kaufkraft weiter erholen und wieder ansteigen wird.
erwartete Inflation 2023 in EU-27