<p>Nominale Kaufkraft in Europa steigt deutlich an</p>
Ist das schon wieder teurer geworden? Diese Frage stellten sich Verbraucher im letzten Jahr häufiger. Als Ausgleich für die gestiegenen Verbraucherpreise 2022 und 2023 fordern Arbeitnehmer nun deutlich höhere Löhne. In der Regel findet eine Lohnentwicklung aber zeitverzögert zur Inflation statt. Während bei der klassischen Lohn-Preis-Spirale durch wachsende Lohnkosten die Produktionskosten und damit die Preise steigen, befinden wir uns aktuell in der Situation, dass sich die Löhne als Folge steigender Preise erhöhen.Die GfK Kaufkraft zeigt, inwieweit die Einkünfte mit der rapide voranschreitenden Inflation Schritt halten können: Für das Jahr 2022 hatten die Europäer in den 27 EU-Mitgliedsstaaten insgesamt rund 8,3 Billionen Euro an Kaufkraft zur Verfügung, die sie etwa für Essen, Wohnen, Dienstleistungen, Energiekosten, private Altersvorsorge, Versicherungen, Urlaub oder auch Mobilität ausgeben konnten. Staatliche Leistungen wie etwa Arbeitslosengeld, Kindergeld oder Renten sind hier inbegriffen. Pro Kopf bedeutet dies eine durchschnittliche Kaufkraft von jährlich 18.468 Euro, was einem Wachstum von nominal 6,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Verglichen mit 3,9 Prozent Wachstum im Jahr 2021 sowie einer fast unveränderten Kaufkraft 2020 im Vergleich zum Vorjahr ist das ein durchaus spürbarer Anstieg der nominalen Nettoeinkommen.
Zwischen den Ländern der EU-27 gibt es dabei aber deutliche Unterschiede: In Luxemburg, Dänemark und Deutschland haben die Menschen absolut gesehen ein weitaus höheres Einkommen als im Rest der EU, während die Kaufkraft in Ungarn, Rumänien und Bulgarien am niedrigsten ist. Mit einer Pro-Kopf-Kaufkraft von 37.015 Euro haben die Luxemburger mehr als das Doppelte des EU-Durchschnitts zur Verfügung. Auch alle anderen Länder in den Top 10 weisen sehr hohe Kaufkraft-Indizes auf, die von fast 20 bis etwa 67 Prozent über dem Durchschnitt reichen.
Im gesamten Europaraum ist weiterhin ein Ost-West sowie Nord-Süd-Gefälle zu beobachten. Schaut man über die 27 Länder der Europäischen Union hinaus, liegen 16 der 42 von GfK untersuchten Länder über dem europäischen Durchschnitt. Dem gegenüber stehen 26 Länder, deren Pro-Kopf-Kaufkraft unterdurchschnittlich ist.
Das Schlusslicht bildet wie im Vorjahr die Ukraine: Dort haben die Menschen durch den Krieg im Land jährlich nur noch 1.540 Euro pro Kopf zur Verfügung. Dies bedeutet einen Kaufkraftverlust von fast 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr 2021, womit die Ukrainer 2022 nur noch bei etwas mehr als 9 Prozent des europäischen Durchschnitts liegen.
Nicht nur zwischen den Ländern, sondern auch innerhalb der einzelnen Staaten gibt es mehr oder weniger starke Disparitäten. So ist in Italien das historisch gewachsene Nord-Süd-Gefälle zwischen dem wohlhabenden Norden und dem ärmeren Süden weiterhin sehr ausgeprägt: Alle Top 10-Provinzen befinden sich im nördlichen Italien; den ersten Platz belegt – wie in den Vorjahren – die Provinz Milano. In der Region rund um die Modemetropole Mailand beträgt die jährliche Pro-Kopf-Kaufkraft 27.013 Euro, womit diese knapp 43 Prozent über dem italienischen Landesdurchschnitt liegt. Umgekehrt sind die zehn kaufkraftschwächsten Provinzen alle in Süditalien zu finden. Schlusslicht bleibt seit Jahren Crotone, wo den Menschen lediglich 10.790 Euro pro Person und Jahr zur Verfügung stehen. Dies entspricht etwa 57 Prozent des Landesdurchschnitts.
Auch in Polen ist der Kontrast zwischen kaufkraftschwachen und -starken Regionen weiterhin sehr hoch. Während 82 Kreise eine überdurchschnittliche Pro-Kopf-Kaufkraft aufweisen, unterschreiten 298 Kreise das durchschnittliche verfügbare Nettoeinkommen des Landes. Ein Vergleich zwischen dem erst- und letztplatzierten Kreis macht die Kaufkraftschere in Polen besonders deutlich: Während die Einwohner des Hauptstadtkreises Warszawa mit einer Pro-Kopf-Kaufkraft von 14.900 Euro 61 Prozent über dem Landesdurchschnitt liegen, hat die Bevölkerung von Kolnenski lediglich 6.179 Euro pro Kopf und damit rund 33 Prozent weniger als der durchschnittliche polnische Bürger für Ausgaben zur Verfügung.
Schauen Sie sich auch die regionale Verteilung der Kaufkraft in den einzelnen Ländern in Europa an:
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